Im Dorf steht wieder eine Hochzeit an.
Woher wir das wissen? Die Lautsprecherboxen des Gastgebers laufen seit Tagen auf Hochtouren.
Hochzeiten finden hier regelmäßig statt. Die Dorfbewohnerinnen sind gebärfreudig, und fast alle jungen Menschen heiraten.
Die Hochzeitsfeier selbst findet meist innerhalb eines Tages statt. Die Trauung ist morgens oder mittags, anschließend wird gegessen, und danach geht die große Tanzparty los.
Das Wichtigste dafür ist die große Lautsprecherwand im Garten – ähnlich wie wir sie von Festivals kennen. Hat die gastgebende Familie keine eigenen Lautsprecher, werden sie aus der Stadt bestellt und tageweise gemietet.
Diese Boxen haben eine Funktion: in voller Lautstärke den harten Bass in die Welt hinaushämmern – immer der gleiche Beat. Und das meist drei Tage vor Festbeginn.
Schließlich sollen alle umliegenden Dörfer wissen, dass hier bald ein Event stattfindet.
Je nachdem, wie laut der Bass hämmert, lässt sich erahnen, wie luxuriös das Fest sein wird. Denn je lauter es dröhnt, desto teurer waren die Boxen – und desto mehr Geld haben die Familien des Brautpaars.
Als Erstes werden also voller Stolz die Lautsprecher aufgestellt. Erst wenn die Musik läuft, gehen die restlichen Vorbereitungen los.
Irgendwie amüsant – aber warum auch nicht? Mit Musik arbeitet es sich schließlich leichter.
Anfangs haben wir uns gewundert, welche Prioritäten die Menschen hier haben. Ihre Häuser sind nicht fertig, bestehen teilweise nur aus Stein und Wellblechdach – kein Putz, kein Boden, keine Fliesen. Und wenn sie mal fertig sind, sind sie meist leer – Möbel oder Deko sucht man hier vergeblich.
Und doch haben sie fast alle eines gemeinsam: Vor dem Haus in ihrem Garten steht eine große Lautsprecherwand!
Und die wird bei jeder Gelegenheit genutzt – mit voller Lautstärke und maximalem Bass. Manchmal den ganzen Tag, manchmal die ganze Nacht, und manchmal drei Tage lang.
Und wen wundert‘s? Bars, Clubs und Freizeitangebote gibt es hier nicht.
Hochzeitsfeiern sind für die Dorfbewohner also eine willkommene Gelegenheit, ein oder zwei Gläschen Schnaps zu trinken, das Tanzbein zu schwingen und beisammen zu sein – und das oft bis in die frühen Morgenstunden.
Die wenigsten haben eine richtige Arbeit, viele arbeiten auf dem eigenen Feld – warum dann nicht die Nacht zum Tag machen und tagsüber einfach schlafen?
Warum nicht einfach das Leben feiern, wann immer sich die Gelegenheit bietet?
Faszinierend ist, dass bei solchen Events alle Menschen auf den Beinen sind – egal wie jung oder alt, wie krank oder gesund sie sind. Selbst Hochschwangere und junge Mütter mit ihren Babys wippen mit und lassen sich auf geringer Entfernung beschallen – so nah, dass sie den Wind von den Boxen in ihren Haaren spüren müssen.
Unnötig zu erwähnen, dass bei der Lautstärke kaum Gespräche möglich sind.
Wenn wir zu einer Hochzeit eingeladen sind, kommen wir zur Trauung und zum Essen. Sobald sich das Dorf in ein Festival verwandelt, stehlen wir uns leise davon – zurück in unseren (eigentlich) ruhigen Dschungel.
Und während wir hoffen, dass die Boxen diesmal früher verstummen, ahnen wir schon: Die nächste Hochzeit – und mit ihr der Bass – kommt bestimmt.
Du möchtest keine Kolumne mehr verpassen? Abonniere sie und erhalte sie zweimal im Monat direkt per Mail!

